Präsentismus-Phänomen lässt nicht nach
Krank zur Arbeit zu gehen, wird immer mehr zum Business as usual. So zeigt der von der Bertelsmann Stiftung veröffentliche Gesundheitsmonitor, dass 42 Prozent der 1.500 Befragten im letzten Jahr zweimal oder öfter krank zur Arbeit gegangen sind. Für zwei Drittel ist ihr Pflichtgefühl - weil die Arbeit sonst liegen bleibt - der Auslöser. Interessant ist der Vergleich zwischen Angestellten und Selbstständigen. So arbeiten von den abhängig Beschäftigten ganze 74 Prozent gelegentlich trotz einer Erkrankung, bei den Selbstständigen sind es "lediglich" 52 Prozent. Stefan Empter, Senior Director der Bertelsmann Stiftung, schließt daraus, dass sich die Selbstständigen der Kostenrelevanz des krank Arbeitens bewusster seien, denn oft sei es unter dem Strich sinnvoller, eine Krankheit zu kurieren anstatt durch eine verschlechterte Leistungsfähigkeit im Zweifel sogar Kosten zu verursachen. Mir geht jedoch noch eine andere Deutung durch den Kopf: Selbstständige haben zwar den Druck, selbst immer wieder für ihr Einkommen zu sorgen, aber sie sind eben nicht dem permanenten Leistungsdruck von Arbeitgebern ausgesetzt. Wenn Vorgesetzte und Kollegen schief gucken, weil man mit einer Erkältung zu Hause bleibt, wird augenscheinlich, woher das in der Studie angeführte Pflichtgefühl kommt.
Jeder Zweite geht krank zur Arbeit, SZ 9.9.2009