Nachholbedarf in Sachen sozialer Gerechtigkeit
Die Bertelsmann Stiftung hat im Rahmen einer Untersuchung von 31 OECD-Ländern einen Gerechtigkeitsindex entworfen, der die fünf Aspekte Armutsvermeidung, Zugang zu Bildung, Arbeitsmarktchancen, Einkommensverteilung (Gleichheit) und Generationengerechtigkeit näher beleuchtet. Die Platzierung Deutschlands innerhalb der OECD-Staaten fällt dabei relativ ernüchternd aus. Im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit, Arbeitsmarkt und Gleichheit erreicht die Bundesrepublik Rang 15, bei der Armutsvermeidung Rang 14, bei der Generationengerechtigkeit Rang 11 und beim Zugang zu Bildung sogar nur Rang 22. Zum Vergleich: Island und Schweden gehören in mehreren Feldern zu den Spitzenreitern. Obwohl bei der Armutsvermeidung immerhin im Mittelfeld angesiedelt, hat sich die Armut in Deutschland in den letzten 15 Jahren vergrößert. Als arm gilt der Studie zufolge, wer mit weniger als der Hälfte des Medianeinkommens auskommen muss - das Medianeinkommen ist der Wert, der alle Einkommen in zwei Hälften teilt und hat als Berechnungsbasis den Vorteil, dass es keine Verzerrungen durch extrem hohe und niedrige Einkommen enthält. In Deutschland sind nach dieser Berechnung inzwischen 9,3 Prozent der Bevölkerung als arm zu bezeichnen, verglichen mit 7,1 Prozent im Jahr 1995. Die Studie konstatiert, dass die Ungleichverteilung der Einkommen in den letzten zwei Dekaden stark zugenommen habe. Beim Zugang zu Bildung schneidet Deutschland am schlechtesten ab - was der Studie zufolge daran liegt, dass vor allem für arme Kinder die Wahrscheinlichkeit sehr gering sei, durch Bildung zu einer Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand befähigt zu werden. Unter dem Strich: Der Nachholbedarf in Sachen sozialer Gerechtigkeit ist in Deutschland nach wie vor immens.
Lücken in der sozialen Gerechtigkeit, FAZ 3.1.11