Ethischer Ablasshandel fördert Egoismus
Ist der gegenwärtige Bio-Trend nur eine moderne Form des Ablasshandels, die uns nicht zu besseren Menschen werden lässt, sondern im Gegenteil dem Egoismus Vorschub leistet? Betrachtet man die Ergebnisse einer neuen Studie der Universität Toronto, so liegt dieser Schluss nahe. Das Setting: 156 Studenten wurden in vier Gruppen aufgeteilt: jeweils der Gruppen sollten sich das Sortiment eines Bio-Shops online anschauen, zwei weitere das eines konventionellen Shops - jeweils eine der beiden Gruppen durfte im ihr zugewiesenen Shop auch einkaufen. Im Anschluss hatten alle Teilnehmer die Aufgabe, sechs Dollar mit einer ihnen unbekannten Person zu teilen. Das verblüffende Ergebnis: Während die meisten Teilnehmer mehr oder weniger gleichmäßig die Summe verteilten, erwiesen sich die Bio-Käufer als deutlich knickriger. In einem zweiten Test konnten sich die Studenten bei einem Computerspiel Geld durch richtige Lösungen verdienen, hatten aber auch die Möglichkeit, in einer ersten Testrunde herauszufinden, wie man das System betrügt. Am Ende des Spiels durften sich die Teilnehmer den von ihnen erspielten Betrag selbst aus einem Kuvert entnehmen. Ergebnis: Die Bio-Käufer betrogen nicht nur beim Spiel häufiger, sondern logen zum Abschluss des Spiels auch häufiger, um mehr Geld zu bekommen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Käufe unter ethischen Rahmenbedingungen durch die Hinertür unethisches Verhalten und Selbstbezogenheit fördern, da sich die Betroffenen auf die Position zurückziehen, mit ihrem Kauf bereits etwas Gutes getan zu haben.
Bio verdirbt den Charakter, taz 17.3.10