In welcher Welt wollen wir leben? Diese Frage wird eigentlich viel zu selten gestellt und wenn man die aktuellen Diskussionen zur Leistungsfähigkeit des Sozialstaats und zu HartzIV betrachtet, erkennt man leicht, warum. Anscheinend sind wir nur dazu fähig, in einem recht kleinen Radius rund um das Bestehende (und oft nicht Funktionierende) zu denken - mit einem völlig unvoreingenommenen Blick auf die Dinge zu schauen, ist hingegen den meisten Menschen fremd. Umso wohltuender ist da ein Vorreiter wie Götz Werner, der immer wieder antritt, vermeintliche Gewissheiten zu hinterfragen und ein Menschenbild zu entwerfen, dass für die Meisten wohl eher unvorstellbar ist. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung propagiert Werner einmal mehr das Grundeinkommen - !.000 Euro für Jeden als Weg zur Freiheit. Der Gründer der Drogeriekette DM und überzeugte Anthroposoph denkt nicht in Kategorien wie sollen und müssen, sondern setzt auf die Entfaltungsfähigkeit des Menschen und dessen Wunsch, diese auszudrücken. Den mit einem latenten Zwang verbundenen Sozialsystemen hält Werner - nicht zuletzt gewürzt mit einer gesunden Brise Pragmatismus, die der Realität insofern Rechnung trägt, als ein Zwang zur Arbeit nie gute Ergebnisse zeitigt - eine Freiheit entgegen, die vielen suspekt vorkommt: "Stellen Sie sich dieses erhabene Gefühl vor: Sie laufen durch die Straßen und sehen nur Menschen, die etwas tun, weil sie das aus eigenen Stücken wollen." Der Albtraum aller Politiker, die mit Klientelpolitik versuchen, ihre WählerInnen zu binden ... Für Werner hingegen ist klar, dass Entwicklung immer die Freiheit zur Grundlage haben muss: "Gerade durch das Grundeinkommen entsteht Leistungsvermögen. Wenn ich mir keine Sorgen um meine Existenz machen muss, kann ich mich an neue Ideen wagen." Was die FAS eher skeptisch "hoffnungsvolles Menschenbild" nennt, ist für Werner Fakt: "Der Mensch hat immer die Tendenz, über sich hinauswachsen zu wollen. Diese Initiativkräfte wecken wir mit dem Grundeinkommen." Dem gegenwärtig zur Hochkonjunktur gelangten Bashing der HartzIV-Bezieher hält Werner nüchtern entgegen, dass regelmäßige Opern-Besucher weit mehr Transferzahlungen durch die Subventionierung der Spielhäuser einstreichen als die offiziellen Transferempfänger.
"1.000 Euro für jeden machen die Menschen frei", FAS 15.8.10
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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