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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Was nennen wir Arbeit?

Wer ist für die Hausarbeit zuständig? Diese Fragen stellen sich wohl die meisten Paare immer wieder - und die real gelebte Antwort fällt in vielen Fällen zuungunsten der Frauen aus. Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) belegt gerade wieder, dass Frauen 60 Prozent mehr Zeit für den Haushalt aufbringen als Männer, bei der Fürsorge für Angehörige sogar doppelt so viel Zeit. Beide Geschlechter arbeiten im Schnitt jeden Tag 7 Stunden und 40 Minuten (die Frauen vier Minuten mehr), doch bekommen Männer 73 Prozent der von ihnen erbrachten Tätigkeiten bezahlt, teilzeitbeschäftigte Frauen hingegen nur 43 Prozent. Das kann man als Gender-Thema diskutieren und sich Wege überlegen, wie Männer sich stärker zu den lebenswichtigen fürsorglichen Tätigkeiten bewegen lassen. Man kann sich aber auch fragen, ob es nicht längst an der Zeit ist, unser Verständnis von Arbeit zu überdenken. Die Divergenz zwischen Lohn- und Hausarbeit wird seit den 1970er Jahren von Feministinnen immer wieder in die Diskussion gebracht, aber wahrscheinlich greift dieser Ansatz zu kurz. In einer Zeit, in der die Digitalisierung womöglich die Grundlagen unserer Idee von Lohnarbeit in den kommenden Jahrzehnten ad absurdum führt, weil immer mehr Tätigkeiten automatisiert werden können, lohnt es sich, das, was im Leben notwendig ist, vielleicht wieder als Ganzes zu sehen. Wir müssen essen, brauchen frisch gewaschene Kleider, unsere Kinder wollen versorgt sein - dafür sind materielle Mittel und Zeit notwendig. Aber verläuft die Scheidelinie natürlicherweise zwischen der Arbeit für Geld und der ohne Bezahlung? Es ist ein System, das sich mit der Industrialisierung verfestigt hat, aber eben nur ein System, das unser Denken prägt. Und andererseits lässt sich auch fragen, ob es so schlimm ist, wenn Frauen mehr im Haushalt tun? Für Mütter, die am Erwerbsleben teilhaben möchten und sich sehr um ihre Familie kümmern möchten, kann Teilzeit eine Möglichkeit sein, diese Interessen in Einklang zu bringen. Der wunde Punkt ist, dass unser System der Altersvorsorge, das an die Erwerbsarbeit gekoppelt ist, sie im Alter dafür schlechter stellt. Wie wäre es, wenn wir alles, was zu tun ist, als "Arbeit" betrachten (mir würde der Begriff Fürsorge allerdings besser gefallen)? Und alles, was diesen Notwendigkeiten dient, gleich behandeln? Wenn nicht der Fluss des Geldes unsere Möglichkeiten bestimmt, sondern unsere Zuwendung zum Leben? Wenn wir einfach diese Gedanken einmal wirken lassen (und nicht gleich die nächste Umverteilungsdiskussion anzetteln)? Wandel beginnt auch dort, wo wir nicht gleich tun und machen, sondern erst einmal offen dafür werden, dass das Leben auch so ganz anders sein könnte, als wir es gewohnt sind.
Frauen leisten 60 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer, FAZ 23.4.17

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Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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