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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Warum Benimm und Anstand kein Auslaufmodell sind

Gutes Benehmen, Anstand, Manieren - reflexhaft möchte man denken, das ist völlig old school. Wo Betrügen heute in Unternehmen an der Tagesordnung ist und wir uns im Privaten eher auf Lässigkeit ausrichten, wirkt ein gepflegter Umgang fast schon antiquiert. Einerseits geht es bei guten Manieren "um Geschicklichkeit im Umgang mit anderen Leuten", so der Philosoph Joseph Vogl. Doch gerade hier entsteht auch eine Wechselseitigkeit, die positiv auf uns selbst zurückwirken kann. Vogl verweist darauf, wie wichtig es ist, sich selbst zurückzunehmen": "Dass man sich bemüht, dem Ich eine Form zu geben, die nicht am Individuellen klebt, und bereit ist, einen Raum zu öffnen, in dem sich Gegenseitigkeiten entwickeln können. Man muss sich die Gelegenheit, aber auch die Zeit geben – und auch anderen die Zeit geben –, soziale Spielräume zu testen, Anknüpfungen zu ermöglichen." Gerade in Zeiten, in denen soziale Diversität immer mehr Normen obsolet werden lässt, können Benimm und Anstand neue Räume für ein soziales Miteinander öffnen. "Man hat sozusagen eine unklare soziale Begegnungs- und Berührungsoberfläche, Distanz ist da gewissermaßen eine soziale Vorkehrung. Je stärker ich mich zurücknehme oder moderiere, desto größer ist der Spielraum für kulturelle und soziale Differenzen, die auftauchen können, ohne dass sie sofort zum Konflikt führen", erklärt Vogl. Um ein "wohltemperiertes Sozialniveau" zu ermöglichen, bedürfe es dabei auch der Fähigkeit, die eigenen Affekte im Zaum zu halten: "Ich gehe nicht mit dem größten Schmerz in die Gesellschaft, und wenn ich es tue, versuche ich, ihn in irgendeiner Weise im Zaum zu halten, sonst werde ich sozial ungenießbar. Genauso erwarte ich vom anderen, dass er die größte Wallung oder den größten Schmerz noch beaufsichtigen kann. Nur dadurch wird wechselseitige Einfühlung ermöglicht." Es ist interessant, über diese Tiefenstrukturen unseres Soziallebens nachzudenken - und sich den eigenen Anteil daran bewusst zu machen. Oft sind wir düpiert, wenn andere uns gegenüber ein eher rüdes Benehmen an den Tag legen. Aber wie steht es um unser eigenes Verhalten?
"Sonst ist man plötzlich sozial ungenießbar", Zeit online 8.11.17

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Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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