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Mindfulness und eine neue Bewusstseins-Kultur in Alltag und Business

© Dr. Nadja Rosmann 2024
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Kritischer Blick auf wachsende Funktionalisierung von Meditation

Die wachsende Bedeutung von Meditation und Achtsamkeit im Kontext einer Burn-out-Prophylaxe, aber auch mit Blick auf das inhärente Potential menschlicher Entwicklung insgesamt, ist eine Dynamik, die in wissenschaftlichen Kreisen inzwischen auch kritisch gesehen wird, denn durch die vorbehaltlose Euphorie wächst auch die Gefahr, dass Meditation zunehmend aus ihren ethischen Kontexten herausgelöst und funktionalisiert wird. "Aus meiner Sicht birgt die euphorische Übernahme des Achtsamkeitskonzepts durch die westliche Psychologie eine Gefahr. Denn im buddhistischen Kontext beinhaltet der Begriff Achtsamkeit stets einen ethischen Akt. Es geht nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern auch um die Entfaltung von Mitgefühl und Offenheit. Diese ethische Komponente aber fällt in psychologischen Studien leicht unter den Tisch", warnt etwa der Achtsamkeitsforscher Paul Grossman in einem Interview mit der Zeit. Er sensibilisiert dafür, dass Meditation nicht einfach ein Werkzeug ist, mit dem beispielsweise eine bessere Konzentration oder auch mehr Gelassenheit entwickeln, sondern dass sich im Zuge der Meditationspraxis auch eine völlig neue Beziehung zwischen Ich und Welt entwickeln könne: "Achtsamkeit heißt, sich nicht ständig von Begierden und Ängsten treiben zu lassen, sondern sich der Realität mit Offenheit, Mitgefühl, Toleranz, Geduld und Akzeptanz zuzuwenden – so gut es eben geht. Das hat nichts mit Resignation oder passivem Gutheißen zu tun. Es geht eher um eine grundlegend andere Perspektive auf die Welt: Statt nur um unsere eigenützigen Interessen, Verluste und Aversionen zu kreisen, weitet man den Blick fürs große Ganze. Es geht darum, das Leben in der Tiefe anzunehmen; sich den unvermeidbaren Aspekten des Lebens zuzuwenden. Diese Zuwendung zu oft schwierigen, schmerzlichen Erfahrungen kann nicht gelingen, ohne dabei ein gewisses Maß an Geduld, Gleichmut, Mitgefühl und sogar Mut zu entwickeln. Vor allem diese ethischen Qualitäten sind es, die dazu beitragen, sich selbst und anderen Menschen offener und freundlicher zu begegnen." Genau diese viel grundlegendere Perspektive ist es, die selbst in vordergründig "funktionalen" Kontexten einen besonderen Impact mit sich bringen könnte. Aber sie lässt sich eben nicht erzwingen.
"Jemand sollte die Euphorie dämpfen", Zeit online 22.10.13

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Buch-Tipps
Meine beiden Bücher, die ich mit Paul J. Kohtes geschrieben habe.

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