Die Systemkrise des Kapitalismus
Das Magazin Telepolis hat in einem ausführlichen Gespräch mit dem Geographen und Sozialwissenschaftler Jason W. Moore verschiedene Krisenmechanismen des kapitalistischen Systems analysiert und kommt zu ernüchternden Erkenntnissen. Moore bringt in seiner Forschungsarbeit, die die Entwicklung des Kapitalismus über mehrere Jahrhunderte betrachtet, Aspekte wie Nahrungsmittelpreise, Energieressourcen und Produktivitätssteigerungen durch Innovationen in einen Gesamtzusammenhang und zeigt auf, dass die heute sich immer mehr verschärfende Systemkrise nicht zum ersten Mal auftritt, sondern eher systemimmanent ist. Das Neue an der heutigen Situation sei hingegen, dass die früher erfolgreichen Kompensationsmanöver heute nicht mehr greifen können, weil das System an Grenzen stoße. "Historisch hat der Kapitalismus seine Krisen immer dadurch gelöst, dass er neue Sphären erschlossen hat. Er musste ein Grenzland (frontier) erobern, das bisher nicht oder kaum Teil der Warenproduktion war, und damit meine ich die Ausbeutung neuer menschlicher Arbeitskraft ebenso wie die nicht-menschliche Natur. Heute gibt es kein unberührtes Grenzland mehr", so Moores ernüchternde Diagnose. In den Augen des Wissenschaftlers sind künftig in der Agrarwirtschaft keine nennenswerten Produktivitätssteigerungen mehr zu erreichen und auch die Energieversorgung krankt an abnehmenden Ressourcen und fehlenden Innovationen. Moore sieht die historische Entwicklung des Kapitalismus sehr kritisch, da seiner Ansicht nach im Prinzip alle Entwicklungssprünge immer auf Kosten anderer (z.B. Entwicklungsländer, die in das System einbezogen, aber tendenziell ausgebeutet wurden; der Natur, deren Zerstörung im System nie eingepreist wurde) erfolgten. Da "neue Sphären" (also weniger entwickelte Länder, natürliche Ressourcen) nicht mehr in Sicht seien, büße das Prinzip des ewigen Wachstums nun seine Funktionsfähigkeit ein.
"Eine Zivilisation, deren Entwicklungsmöglichkeiten sich erschöpft haben", Telepolis 14.6.11