Wie das Unerwartete unsere Wahrnehmung prägt
Das Unerwartete hinterlässt in uns deutlich stärkere Eindrücke als das Gewohnte. Und das prägt - und verzerrt - unsere Weltwahrnehmung. Eine Studie aus Israel zeigt, wie weitreichend diese kognitiven Verzerrungen sind. Die Wissenschaftler befragten Studierende in Israel, wie viele arabischstämmige Kommilitonen sie an der Universität sahen. Sowohl bei den israelischen Juden als auch bei den israelischen Palästinensern zeigte sich dabei eine deutliche Überschätzung - beide Gruppen gingen von rund 30 Prozent aus, doch die Zahl der Studierenden mit arabischer Herkunft belieft sich nur auf 10 Prozent. Ein Experiment mit Fotocollagen zur Präsenz von People of Color ergab noch größere Abweichungen. Hier verschätzten die Probanden sich um mehr als 40 Prozent. Die Fehlschätzungen waren, wie Folgeexperimente zeigten, unabhängig von der persönlichen Haltung der Studienteilnehmenden. Die Wissenschaftler erklären sich das damit, dass das Gehirn vor allem auf das fokussiert, was es nicht erwartet. Und das bleibt besonders im Gedächtnis. Sie raten deshalb, insbesondere in der politischen Kommunikation dazu, stark mit Zahlen zu argumentieren, um solche kognitiven Verzerrungen zu vermeiden.
Die Illusion der Vielfalt, spektrum.de 13.6.2022