Das Selbstverwirklichungsdenken im Berufsleben wird leicht zur Ego-Falle, wie der Verhaltenswissenschaftler und Coach Dr. Björn Migge in einem Beitrag für das Weiterbildungsmagazin ManagerSeminare darlegt. Miggge kritisiert: "Offenbar hat sich das Scham- und Schuldempfinden deutscher Manager verändert. Jedenfalls sitzen mir immer mehr junge Führungskräfte gegenüber, die mit dem Scham- und Schuldbegriff wie ich ihn kenne nichts mehr anfangen können." Statt einmal deutlich zuzugeben "ich habe etwas falsch gemacht", flüchten sich die Nachwuchsmanager in Selbstoptimierungsphrasen wie "ich habe mein Potenzial nicht genutzt" oder "ich habe mein Ideal-Selbst noch immer nicht erreicht". Für Migge ist klar, dass diese Ausweichmanöver Folge einer postmodernen Selbstverwirklichungsgesellschaft sind, in der "alte" Werte wie Beständigkeit und Verlässlichkeit, die am gemeinen Wohl ausgerichtet sind, kaum noch präsent sind. Wo nur noch Unabhängigkeit und Flexibilität, Selbstfindung und Selbstverwirklichung zählen, werden allein aufs Ego bezogene Werte in den Mittelpunkt gerückt und der Narzissmus blüht. Migge erkennt eine "tief greifende Unsicherheit im Hinblick auf das eigene Selbst", in deren Folge "eine Lücke in der Seele vieler moderner Menschen klafft". Sein Fazit: "Daher gibt es viele Trainings zur sozialen Kompetenz. Hier wird vermittelt, wie man sich empathisch verhält und empathisch kommuniziert. Leider bleibt dieser gute Ansatz oft nur eine Sozial-Technik. Führungskräfte mögen dann zwar 'gute Sprüche drauf haben', aber in ihrer Seele können sie nicht wirklich erkennen, wie es anderen geht. Wenn sie nicht mitfühlen können und keine Schuld empfinden, weil sie nicht die richtigen Werte mit auf den Weg bekommen haben, können sie auch keine wirkliche Verantwortung übernehmen. Ohne Verantwortung für andere und ohne Schuldempfinden jedoch kann es auch keine Vergebung geben, können Verletzungen nicht ausgeglichen werden. Dann gehen wir den Weg in eine unbarmherzige Gesellschaft, die nur die Verwirklichung des Selbst-Ideals kennt."
Die neue Managergeneration braucht alte Werte, ManagerSeminare 11.2009