Die Süddeutsche Zeitung beleuchtet in einem Beitrag wieder einmal das Thema Downshifting und zeigt dabei, wie sich unser Verhältnis zur Arbeit immer mehr zu verschieben scheint. War über die Jahrhunderte das, was wir heute unter Vollerwerbstätigkeit verstehen, zunächst eine Notwendigkeit der Subsistenzwirtschaft - die bäuerliche Selbstversorgung kannte schlicht so gut wie keine Pausen, haben wir seit der industriellen Revolution dieses Paradigma schlicht nie hinterfragt. Die Differenzierung unserer Lebensverhältnisse hat letztlich unser Menschsein an sich über die Zeit immer reicher werden lassen, und in Anbetracht der realen Vielfalt von Lebensmöglichkeiten erscheint es immer mehr Menschen beinahe schon als wider ihre Natur, den größten Teil ihrer Lebenszeit allein auf "arbeitende" Tätigkeiten zu beschränken. In Großbritannien sind bereits 57 Prozent der Bevölkerung von der Idee einer Vier-Tage-Woche angetan, und sogar 71 Prozent glauben, dass weniger zu arbeiten die Menschen glücklicher machen würde. In Deutschland würden einer Studie des Familienministeriums zufolge gerne drei Viertel der Männer und die Hälfte der Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren. Die finanziellen Einbußen, die mit einer geringeren Arbeitszeit verbunden sind, dürften dabei nur einer der Gründe sein, warum dieser Trend bisher eher in den Köpfen denn in der Welt selbst zuhause ist. Denn gerade in Deutschland ist die Teilzeitkultur immer noch vor allem weiblich. In den letzten 20 Jahren sank die Wochenarbeitszeit von Frauen von 34 auf 30,5 Stunden, die der Männer von 41,8 auf 39,8 Stunden. Der britische Ökonom John Maynard Keynes prognostizierte 1930, dass wir in 100 Jahren (wir hätten also noch gut 15 Jahre Zeit) nur noch 15 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Gemessen an der wirtschaftlichen Produktivität könnten wir diesem Ideal schon heute recht nahe kommen - wenn der volkswirtschaftliche Wohlstand gleicher verteilt wäre. Denn noch sind es hauptsächlich die Gutverdiener, die sich leisten können, weniger zu arbeiten - dies allerdings nur in seltenen Fällen auch tun, weil wir weiterhin daran festhalten, Jobs allein als Vollzeitmodell zu denken. doch der kulturelle Wandel in den Köpfen wird sich nicht aufhalten lassen. Die viel beobachtete Generation Y lebt in ihren Haltungen bereits in einen Wandel hinein, der auch die typischen Vollerwerbsmodelle in Frage stellt. Und je mutiger wir sind, es nicht bei unserer Einstellung zu belassen, sondern ihr auch konkreten Ausdruck zu verleihen, umso leichter dürften sich auch die äußeren Voraussetzungen der Arbeitswelt verändern lassen.
Wenn doch bloß drei Tage Wochenende wäre, SZ 7.12.14
© Dr. Nadja Rosmann 2024
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