Sich dem Tod bewusst zuwenden
Der Tod ist ein Thema, das wir aus unserem modernen Leben gerne raushalten, denn unsere Kultur ist von Machbarkeitsglauben und Fortschrittsoptimismus geprägt. "Doch die Pandemie deckt gnadenlos die mentale Schwachstelle, die metaphysische Not der hedonistischen Gesellschaft auf", sagt der Historiker Klaus-Rüdiger Mai im Deutschlandfunk Kultur. Habe beispielsweise die mittelalterliche Kultur in ihrer "Gewissheit der Transzendenz" noch "metaphysischen Trost" gefunden, trifft uns die Konfrontation unserer Sterblichkeit heute viel unvermittelter. Die in der Pandemie allabendlich verkündeten Todeszahlen konfrontieren uns jedoch stetig mit unserer Sterblichkeit. " Für Mai ist das Wissen um unser Ableben gerade ein Grund zu leben: "Aus dem Wissen heraus sterben, aus dem Glauben, sich womöglich dereinst rechtfertigen zu müssen, stellt sich doch erst die Frage nach der Verantwortung, die man in der Welt hat. Auch wenn man nicht an ein Leben nach dem Tode glaubt, würde doch die Vorstellung, sich selbst aus der Welt zu denken, erst offenbaren, was von einem bleibt. Hat man etwas bewirkt? War man wichtig oder gütig oder gar ein Segen?" Vielleicht erschließt sich ein tieferer Lebenssinn ja gerade in der Konfrontation mit und der Reibung an letztendlichen Fragen wie diesen.
Wir müssen wieder lernen, den Tod zu denken, Deutschlandfunk Kultur 7.4.21